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Mit dem Bauch durch die Wand

Von

Anka Schmid

Frauen kriegen Kinder. Doch ist man, wie Sandra, Jasmine und Jennifer noch keine achtzehn, wenn der Bauch zu wachsen beginnt, wird man schief angeschaut.

Dokumentarfilm

Kino

93

Min

Format

35mm / 1:1.85

Ton

Land

Schweiz

Sprachen

Schweizerdeutsch

Untertitel

Deutsch, Französisch, Englisch

Synopsis

Frauen kriegen Kinder. Doch ist man, wie Sandra, Jasmine und Jennifer noch keine achtzehn, wenn der Bauch zu wachsen beginnt, wird man schief angeschaut. Und ist das Baby geboren, stellt sich heraus, dass das Leben mit Kind einiges herausfordernder ist, als man sich dies in seinen rosaroten Teenager-Träumen ausmalte. Eine erfrischende Langzeitstudie über drei blutjunge Mütter, ihre Kinder und deren Väter. Ein Film über erste grosse Lieben, Berufspläne und Zukunftsträume. Ein Film vor allem aber über die Courage und die unerschütterliche Zuversicht, die es braucht, wenn man in einem Alter, in dem andere unbeschwert das Jungsein geniessen, bereits Verantwortung für ein Kind übernimmt.

Sie heissen Sandra, Jasmine und Jennifer, leben im Luzerner Hinterland, in Basel, bei Thun und haben eines gemeinsam: Sie haben minderjährig ein Kind gezeugt. Waren nicht älter als achtzehn, als sie Jason, Armando und Tanijsha zur Welt brachten. Sie habe immer gewusst, dass sie jung Kinder haben wolle, meint Sandra heute selbstbewusst. Etwas mulmig war es ihr und ihrem Freund Marcel dann doch, als sie mit siebzehn ihren Eltern eröffnen mussten, dass sie bald Grosseltern werden. Doch ihre Familien haben die Nachricht relativ locker aufgenommen. Sie unterstützen die jungen Eltern und sind für das Grosskind da, wann immer es nötig ist.


Auch Jennifer findet zu Hause Unterstützung. Sie war früher eine „richtige Rotzgöre“: Immer im Ausgang, immer auf Achse, zerstritten mit der Mutter und der ganzen Verwandtschaft. Die Schwangerschaft liess Jennifer ruhiger werden. Und so bot ihr die Mutter an, wieder nach Hause zu ziehen. Darüber ist sie froh, denn ihr Freund Mwhati ist, wie Jennifer es ausdrückt, „noch zu jung und kein richtiger Vater“ und kurz nach Tanijshas Geburt auch nicht mehr ihr Freund. Er erlebt, gerade mal sechzehnjährig, seine wilde Sturm und Drang-Phase. Er will frei sein, lässt sich treiben und beginnt zu rappen.


An den amourösen Irrungen und Wirrungen, den stürmischen Zeiten, die man in der Jugend durchlebt, ändert ein Kind nichts. Aber das Leben mit Kind ist ein anders, als man sich in seinen rosaroten Teenie-Träumen ausmalte. Es fordert heraus. Stellt die Beziehung auf die Probe. Roman habe das Kind gewollt, meint Jasmine als Armando ein paar Monate alt ist. Doch nun ist die grosse Liebe abgekühlt. Jasmine weiss nicht, was aus der Beziehung wird - ganz sporadisch nur meldet sich Roman in der Folge. Vier Jahre dauert es, bis er - nun zum adretten jungen Mann geworden - die Vaterschaft anerkennt und einen Unterhaltsvertrag unterzeichnet. Jasmine hat zu diesem Zeitpunkt einen neuen Freund. Es sei schwierig, als junge Frau mit Kind einen neuen Freund zu finden, hat die Baslerin ein Jahr früher noch konstatiert. Sie ist zum Teil im Heim aufgewachsen, hat keine intakte Familie, die sie unterstützt und tut sich schwer mit dem Alleinsein. Zum Glück hat sie viele Freundinnen und Freunde, die sie und ihr Söhnchen täglich besuchen: Ein regelrechtes Cliquen-Baby ist Armando. Wird im Pulk spazieren geführt, darf mit Jasmine und ihren Freunden an die Fasnacht, feiert in grosser Runde Geburtstag. Selbst beim Gang zum Sozialamt und zur Mütterberatung lässt sich Jasmine begleiten. Sie ist misstrauisch. Will sich und der Welt beweisen, dass sie es gut macht mit Armando und kommt doch immer wieder an ihre Grenzen: Jasmine ist eine Suchende, wie viele in ihrem Alter. Sie weiss nicht, was sie will, lebt in den Tag hinein, verträumt die Zeit. Armando ist ihr Halt und Last zugleich. Es ist nicht immer heiteres Honiglecken, das Leben mit Kind, wenn man selber noch nicht richtig erwachsen ist und nicht weiss, wohin einen das Leben führt.


Die konkretesten Vorstellungen haben Sandra und Marcel. Sie stecken beide mitten in der Lehre, als Jason zur Welt kommt. Doch Jason verleiht den beiden Flügel. Jetzt erst recht, sagt sich Sandra. Sie schliesst als eine der besten des Jahrgangs ihre Lehre ab und freut sich über ihren Erfolg. „Denen habe ich es gezeigt“, strahlt sie mit dem Diplom in der Hand. Sie zieht mit Marcel und Jason in eine eigene Wohnung, heiratet und schon kommt das zweite Kind: Eine glückliche kleine Familie sind die vier.


Doch auch Jennifer und Jasmine gehen, je älter ihre Kinder sind, desto sicherer ihre Wege. Jasmine absolviert ein Praktikum. Sie hat in Elso einen zuverlässigen Partner gefunden, der ihrem Armando ein liebevoller Ersatzpapi ist. Jennifer ist inzwischen mit Tanijsha in eine eigene Wohnung gezogen. Sie arbeitet im Seniorenheim, lernt Autofahren und lässt sich zur Pflegefachfrau ausbilden. Mwhati hat sich gefangen. Er schnuppert für eine Lehre, besucht seine Tochter wieder öfters und rappt über seine Vaterschaft: „Es läuft nicht immer gut. Es braucht für vieles Kraft, Stolz und Mut. Die Vergangenheit ist vorbei. Lass sie ziehen. Pack deine Chance. Jetzt oder nie.“

Diese wagemutigen Jugendlichen, die sich Hals über Kopf für ein Kind entscheiden, faszinieren mich. Ihre Zuversicht und Risikofreude stehen im Gegensatz zur heute vielfach durchdachten Lebens pla nung, bei der das Kinder-Kriegen in eine immer spä tere Lebensphase rückt und frühe Schwangerschaften zu einem Tabu geworden sind. Es interessierte mich, bei den Teenager-Eltern genauer hinzuschauen. Sie sind vor dem schweizerischen Gesetz noch zu jung, um die Verantwortung für ein Kind zu tragen und werden im Alltag mit Vorurteilen und Problemen konfrontiert. Gleichzeitig strotzen sie vor Lebensenergie und machen immense Entwicklungsschübe.


Ich wusste, dass ich mit dieser Langzeitdokumentation ein echtes Abenteuer ein­ge hen würde. Es war kein kurzlebiges Unterfangen, sondern eine Verbindung über mehrere Jahre mit all den Freuden und Leiden, die das Leben junger Menschen mit sich bringt. Fast vier Jahre habe ich meine ProtagonistInnen in ihrem Umfeld beglei tet, beobachtet und befragt. So wurde ich Zeugin ihrer Entwicklung von Teenagern zu jungen Erwachsenen. Am deutlichsten zeigt sich die verstrichene Zeit an den Kin dern: Zu Filmbeginn sind sie kleine Babys oder sogar noch im Bauch, am Filmende sind sie kleine Persönlichkeiten geworden. Die Entwicklung der Jugendlichen zu Erwachsenen ist nicht geringer. Sie manifestiert sich aber weniger äusserlich als vielmehr in den sich ändernden Aussagen, Überlegungen und Verhaltensweisen.


Das Filmprojekt startete mit der Suche nach geeigneten Jugendlichen. Dies war vol ler Hindernisse. Denn aus Datenschutz-Gründen durfte mir niemand die Adressen von minderjährigen Schwangeren oder Teenager-Eltern herausgeben. Zudem werden diese jungen Eltern oft mit grosser Skepsis beobachtet, so dass sie nicht einfach für ein solches Unterfangen zu gewinnen sind. Schliesslich musste ihr Um feld ebenfalls das Einverständnis zum Drehen geben. Denn sie selber waren bei Drehbeginn noch minderjährig und somit nicht entscheidungsberechtigt und lebten noch bei Ihren Eltern oder in einem Wohnheim.


Nach einem Jahr intensiver Suche hatte ich fünf spannende Paare gefunden, die in ihrer Unterschied lich keit ein interessantes Zusammenspiel ergaben. Zwei heftig verliebte Teenager paare, ein frisch getrenntes Pärchen und zwei alleinerziehende Mütter. Eine davon unterstützt vom Freundeskreis, die andere wohnhaft in einem Mütterheim. So unter schiedlich wie die persönlichen Situationen waren auch die Wohnorte: Die einen lebten auf dem Land, die andern in der Stadt und alle in ver schiedenen Kantonen, was sich im Film im Charme der unterschiedlichen Dialekte widerspiegelt.


Mein Ziel war, die ProtagonistInnen möglichst authentisch in ihrem Alltag zu zei­gen. Um dies zu erreichen, verwirklichte ich einen Grossteil des Drehs bewusst alleine. Ich drehte mit einer unauffälligen, kleinen HDV-Kamera und Sendermikro­phon. Die Mehr fachbelastung als Kamerafrau, Interviewerin und Tontechnikerin war technisch und menschlich eine grosse Herausforderung. Diese Arbeitsform ermög lichte es aber, dass ich als Einzelperson in intimen Situationen kaum störend wirkte und flexibel auf terminliche Veränderungen reagieren konnte. Dies war wichtig, denn im Leben meiner ProtagonistInnen entstanden viele Pläne, Entscheide oder Termine sehr spontan.


Für Kontinuität der Dreharbeiten sorgte ich, indem ich zu allen vier Jahreszeiten bei allen Mitwirkenden einmal filmen ging. Zudem dokumentierte ich sie einmal jährlich mit Unterstützung eines Filmteams. Diese Drehtage nutzte ich, um mich unbelastet von der Technik ganz auf die Gespräche konzentrieren zu können.


Jeder Dreh brachte Überraschungen und jedes Mal haben mich diese jungen Leute von neuem in ihren Bann gezogen. Über die Jahre kamen wir uns gegenseitig immer näher. Trotzdem blieb klar: Ich bin die Filmerin, nicht ihre Freundin oder Sozialarbei terin.


Natürlich sind während des langen Drehs auch Schwierigkeiten aufgetaucht. Ich war öfters mit jugendlicher Unzuverlässigkeit konfrontiert. Manchmal hatten die Teenies einfach kein Geld mehr, um mich anzurufen oder sie wechselten ihre Handy-Num mer und hatten vergessen, mir dies mitzuteilen. Als aber nach einem Jahr Dreharbeiten eine junge Mutter unter heftigen Drohungen ihres Vaters aus dem Projekt aussteigen musste, belastete mich das sehr. Aber die Probleme, welche die Protagonistinnen in ihrem wahren Leben durchmachten, gingen mir stärker ans Herz als meine Schwie rig keiten in der Arbeit. Es gab aber auch vie le beschwingte Mo mente während der Dreh zeit, die mich persönlich beglückten. All diese Phasen von Hoch und Tief kön nen nun im Film mitverfolgt werden.


Nach Drehende setzte sich der Arbeitsprozess in der Montage fort: 150 Stunden Film material mussten auf zwei Stunden gekürzt werden. Es galt, dreiein halb Le bens jahre von drei Teenage-Müttern in 90 Minuten darzustellen. Dabei war es mir ein An liegen, nie den schmalen Grat zwischen Enthüllen und Entblössen zu über schrei ten. Dies führte zum Entscheid, dass ich eine der Teenagermütter nicht im Film integrierte. Die Preisgabe ihrer Geschichte wäre zu folgenreich und zu bela stend für sie und das Kind gewesen. Die Reduzierung auf drei Entwicklungsge schich ten entpuppte sich als Vorteil. Der Film hat dadurch an Klarheit und Dichte gewonnen.


Als ich an diesem Filmprojekt zu recherchieren begann, war ich 44 Jahre alt und selber Mutter eines 11-jährigen Sohnes. Ich setzte mich intellektuell intensiv mit dem Spannungsfeld von Kinderfeindlichkeit in unserer Gesellschaft und dem individuellen archaischen Kinderwunsch auseinander. Während der Recherche zu diesem Thema stiess ich auf ganz junge Mütter, die sich voller Mut zu ihren Kindern bekannten. Ich war sofort fasziniert von diesen Teenage-Müttern mit ihrer Entschiedenheit und ihrer zuver sichtlichen Lebenshaltung. Sie überzeugten mich, einen Film zu machen, der ganz bewusst den Lebensmut ins Zentrum setzt. Für einmal sollte nicht der Tod, die Zerstörung oder das Elend im Mittelpunkt stehen, wie das so oft der Fall bei packen den Dokumentarfilmen ist. Ich wusste, dass ich mir mit diesem Thema „dra ma tur gisch“ keinen Gefallen tun würde. Denn ich verzichtete damit gewissermassen frei wil lig auf die vielen Emotio nen, die durch Mitleid entstehen.


Nachdem ich ein filmisches Konzept gefunden hatte, machte ich mich an die Arbeit. Nun wusste ich, dass ich eine Langzeitdokumentation machen wollte, in der es um die existen ziellste Frage überhaupt geht. Nämlich um den Mut, ein Kind auf die Welt zu bringen. Ich war überzeugt, dass ein Portrait junger Teenage-Mütter die Zu schauer berühren kann, wenn es mir gelingt zu zeigen, mit welcher Kraft diese jun gen Menschen den Widerständen trotzen und mit welchem Elan sie ihren je eigenen Weg gehen.

Nun bin ich fast 50 Jahre alt. Im Rückblick sehe ich die vier Jahre, die ich mit den jungen Müttern und Vätern verbracht habe, als grosses Geschenk. Ihre Geschichten zeigen, dass das Leben voller Überraschungen ist und sich in Krisensituationen immer wieder neue Lösungen auftun.

Crew

Regie

Anka Schmid

Drehbuch

Anka Schmid

Kamera

Patrick Lindenmaier, Anka Schmid

Musik

Peter Bräker, Darko Linder

Ton, Sound

Christian Beusch

Montage

Picture Design

Marina Wernli, Matthias Bürcher

Produktion

Franziska Reck

Weitere Crew Mitglieder

Regieassistenz

Guido Helbling


Original Sound

Dieter Meyer, Anka Schmid


Assistenz

Guido Helbling


Produktionsleitung

Franziska Reck

Anka Schmid


Produktionsassistenz

Sabine Girsberger


RECK Filmproduktion Zürich

in Koproduktion mit Schweizer Fernsehen

Redaktion Urs Augstburger & SRG SSR idée suisse

Redaktion Alberto Chollet


Unterstützt durch

Bundesamt für Kultur (EDI), Schweiz

Züricher Filmstiftung

Suissimage

Kulturförderung des Kantons Luzern

Ernst Göhner Stiftung

Volkart Stiftung

Kulturstiftung Winterthur

Verena Conzett und Wilhelmine Manz-Stiftung

Stage Pool Focal

Succès Cinéma / Succès passages antennes

Cast

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